Auszüge aus den beiden Schul-Chroniken der Rauenthaler Schule - von 1820 bis in die Neuzeit
Die beiden Bände der Rauenthaler Schul-Chronik stecken voll von wunderbaren Geschichten, Erzählungen, Augenzeugenberichten und vielem mehr.
Der Rauenthaler Harald Jahn hat sich die Arbeit gemacht, den in Deutscher Kurrent- und in späteren Jahren in Sütterlinschrift verfassten Text in wochenlanger Kleinarbeit in die heute übliche, lateinische Schrift zu transkripieren und für unsere Zeit lesbar zu machen. Herr Jahn hat dankenswerter Weise dem Rauenthaler Traditionsverein e. V. diese und weitere zahlreiche Textdateien zur Verfügung gestellt.
Dafür möchten wir ihm an dieser Stelle aufs herzlichste Danke sagen!
Im Folgenden ein Auszug aus der Schul-Chronik - Band II. Die in Klammern angegebenen Zahlen, geben die jeweilige Seite der Chronik an.
Viel Spaß beim lesen und entdecken...
Eine dreitägige Radtour durch den Taunus über den Westerwald und durch das Rheintal.
Während der Sommerferien unternahm ich mit 12 Knaben eine Radtour von drei Tagen.
Am ersten Tag fuhren wir nach Schlangenbad, Wambach, über Seitzenhahn nach Bleidenstadt ins Aar-tal und dann nach Hahn-Wehen. Hier wurde Rast gemacht. Wir kehrten bei einer Schwester von mir ein, und bald konnten wir uns an einem frisch gebrauten Kaffee laben. In einem schattigen Garten-häuschen schmeckte es den Jungen ausgezeichnet, und unter den Klängen einer fröhlichen Grammo-phonmusik verging die etwas ausgedehnte Rast doch sehr schnell. Jetzt wurden die Tornister gepackt und die Räder zur Weiterfahrt bestiegen. Doch die Sonne meinte es zu gut mit uns, und alle unnötigen Kleidungsstücke wurden abgelegt und auf das Rad gepackt. Der Höhenzug, der das Aartal von dem Wörsbachtal scheidet, war bestiegen, und in voller Fahrt ging es über Engenhahn nach Idstein. Die Knaben waren voller Begeisterung, als sie aus dem Taunuswald in das Wörsbachtal sehen konnten und das alte, schöne Städtchen Idstein erblickten. Wie aus einer Kehle erscholl der Ruf: „ o wie herr-lich, ach wie schön“. „Absteigen“ hieß es, und die hauptsächlichen bedeutendsten Bauten wurden den Knaben gezeigt. In ordnungsmäßiger Fahrt ging es schnell ins Tal. Nach Verlassen des Wörsbachtels wurde der Höhenzug nach dem Emstal überschritten. Hier hieß es wieder Rad schieben. Die voll hängende Obstbäume luden uns zur Erfrischung ein. Welch eine Wohltat bei der großen Hitze in der Sonne 40 – 50°.
Das herrliche Emstal gab den Jungen Veranlassung (231) manches zu beschauen. Wallsdorf mit den alten neben einander gebauten Fachwerkhäusern wurde allgemein bewundert. Das reizvolle Städtchen Camberg mit seinen alten Stadttürmen wurde des Mittags bei größter und fast unerträglicher Hitze erreicht. Eine kleine Rast war nötig, während ich den Eltern von Lehrer Höler einen kleinen Besuch abstattete. Nach halbstündiger Fahrt kamen wir in Niederselters, meinem Geburtsort an. Hier konnte ich meine zweite Schwester durch ein Wiedersehen erfreuen. Im Hofe meines Elternhauses hatten die jungen flinken Radler bald ein schattiges Plätzchen eingenommen, und eine kräftige Speise stärkte die erschlafften Sportler. Wegen der großen Hitze war eine Weiterfahrt nicht möglich. So blieben wir hier bis zum Abend. Mit den Kindern der oberen Jahrgängen von Niederselters besuchten sie die dortige Badeanstalt, und gestärkt und erfrischt kamen sie zurück. Auch der Mineralbrunnen wurde besucht und das wohlschmeckende Wasser verkostet. Das Endziel für den ersten Tag war Eisenbach, wo ich 16 Jahre als Lehrer tätig war. Vor dem Dorfe erwarteten uns die Schulkinder, welche als Quartierma-cher jetzt in Tätigkeit traten. Bald waren die Knaben untergebracht. Sie wurden von den Leuten aus-gezeichnet bewirtet.
Am zweiten Tag unserer großen Fahrt bestiegen wir schon um 6 Uhr die Räder und setzten unsere Fahrt durch schöne Ortschaften im Emstal wie Niederselters, Oberbrechen, Niederbrechen u. Linden-holzhausen fort. Hier in Lindenholzhausen überquerten wir die in Bau befindliche große Autostraße Frankfurt – Cöln. Der herrliche Blick ins Lahntal fesselte uns so sehr, daß wir auf einige Zeit abstie-gen. Die alte Lubentiuskirche Bei Dietkirchen, der alte siebentürmige Dom, die Mannsfelder (232) Höhe-und die Höhen des Westerwaldes gaben uns Stoff zu Unterhaltung. In Limburg besuchten wir zuerst das Besitztum der Pallotiner und verweilten längere Zeit in dem herrlichen Gotteshaus. Nun war der Bischofsdom auf steilem Felsen erbaut unser Ziel. Die Kinder bewunderten die Bauart und die neue Malerei. Ein Schaudern erfaßte sie, als sie aus dem Fenster der Sakristei hinab auf die Lahn schauten. Unser Weg führte uns nach Verlassen des Domes durch das Städtchen über die alte Lahn-brücke nach Staffel. Hier wurde die erste Stärkung zu uns genommen. Dann ging es bergauf, bergab über den Westerwald nach Montabaur. Alte Erinnerung wurden beim Anblick des Städtchens wach, denn ich hatte hier meine Studienzeit verlebt; auch mußte ich den Kindern manche Frage beantworten. Wir glaubten jetzt eine schöne und gemütliche Fahrt durch das herrliche Gelbachtal zu haben, aber es kam anders. Starker Gegenwind spielte uns einen schweren Streich. Wir kamen nur mühsam und mit großen Anstrengungen vorwärts. Erst spät am Nachmittag erreichten wir das Lahntal. Wir besahen uns Nassau, Bad Ems und das Endziel Niederlahnstein.
Hier besuchten wir Frl. Annas, welche sich im dortigen Krankenhaus einer schweren Operation unter-zogen hatte. Frl. Annas war über den Besuch sehr erfreut. Im kath. Gesellenhaus waren die Kinder gut aufgehoben.
Der dritte und letzte Tag der Radtour führte uns durch das reizende Rheintal mit seinen Bergen, seinen Ruinen und seinen Burgen. Der Loreleifelsen wurde erklettert und die Dingstätte besichtigt. langsam ging die Fahrt weiter, denn es war zu viel zu beschauen und zu bewundern. In Rüdesheim kehrten wir in einem Kaffee ein, und versüßten uns unser Leben.
(233) Der letzte Teil des Weges führte uns durch die Weinorte des Rheingaus. Die Sonne verschwand bereits hinter den Bergen, als wir Eltville, die Stadt der Rosen und des Weines, verließen. Gegen 8 Uhr kamen wir müde in Rauenthal an. Ich war froh, daß ich die harte und auch etwas mit Gefahr ver-bundene Radtour hinter mir hatte.
Der größte Lohn für mich war, die Kinder hatten ein großes Stück der engen Heimat gesehen und lieb gewonnen. In späteren Jahren werden sie noch gern von dem Gesehenen und Erlebten erzählen.
Aus der Rauenthaler Schul-Chronik Band 1 und 2 - die Statistiken bzgl. der Anzahl von Schülerinnen und Schülern von 1820 bis 1980
Zum Teil lückenhaft und nicht immer in gleicher Weise protokolliert, sind die Zahlen der jeweiligen "Hauptlehrer" dennoch sehr aussagekräftig.