Traditionsverein sammelt für 5. Glocke

Während des Mai-Läutens im Jahr 2015 kamen viele alte Geschichten hoch: unter anderem die Erzählung über die Anzahl der in der Vergangenheit zu läutenden Glocken. Aktuell hängen vier Glocken im Rauenthaler Kirchturm: zwei Glocken von 1560 und zwei Glocken aus dem Jahre 1948. Die jüngeren zwei Glocken wurden als „Ersatz“ für die im Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg zur Waffenherstellung eingezogenen und eingeschmolzenen Glocken angeschafft und 1948 feierlich eingeweiht.

Von der 5. Glocke - dem sogenannten „Beichtglöckchen“ - zeugte nur noch ein leerer Glockenstuhl in der 1983 renovierten „Laterne“ des Kirchturms. Als Laterne wird die mittlere der fünf Spitzen bezeichnet. Das dort montierte Holz-Joch erinnerte als einziger Zeuge noch davon, dass hier früher mindestens (!) fünf Glocken läuteten.

Seit 2015 befasste sich der Rauenthaler Traditionsverein mit der Idee zur Anschaffung einer 5. Glocke. Pandemiebedingt wurde das Thema vorübergehend zurückgestellt, wird nun aber wieder aktiv angegangen.

Der Rauenthaler Kirchturm – der im Übrigen seit 1832 nicht mehr der Kirche gehört, sondern der Zivilgemeinde – wurde zuletzt umfangreich restauriert und stabilisiert. Hierbei wurde festgestellt, dass die Glockenjoche aus Stahl ebenfalls saniert werden müssen. Allein die erforderlichen Bauarbeiten am Glockenstuhl – hier soll wieder auf Holz-Joche umgebaut werden – wird die Stadt Eltville ca. 45.000 Euro kosten. Der Glockensachverständige Wolfgang Nickel vom Bischöflichen Ordinariat Limburg wurde eingeschaltet, um bei dieser Gelegenheit zu prüfen, ob eine Erweiterung des Glockenstuhls machbar und eine fünfte Glocke wünschenswert ist.

In seinem Gutachten kommt er zu folgendem Ergebnis:

„Bei der Beschlagnahme der Kirchenglocken im Jahre 1942 verblieb nur eine Glocke von 1560 im Turm. Die gleichfalls abgelieferte historische Glocke kam glücklicherweise 1947 heil zurück. 1948 goss Rincker zwei neue Glocken als Untertonglocken hinzu: Ihre Untertöne liegen 1/2 Ton unter dem Schlagton. Dadurch ergibt sich hinsichtlich der Untertöne hörmäßig ein sogenanntes "Idealquartett" mit der Folge c – es – f – as.

Im Turmhelm hing ursprünglich das "Beichtglöckchen" von 1920 (Ø 500 mm), es war also eine fünfte Glocke vorhanden. Der Ton dieser Glocke ist nicht bekannt. Er dürfte zwischen f'' und a'' gelegen haben. Allerdings war ein Zusammenläuten mit den übrigen Glocken musikalisch wie liturgisch wohl nicht vorgesehen.

Wenn man nun eine fünfte Glocke hinzugießen möchte, käme musikalisch eine b'-Glocke oder eine c''-Glocke in Frage, vorausgesetzt, man möchte alle fünf Glocken zusammen läuten. Die mikrotonale Abstimmung muss noch erörtert werden. (…)

Aus liturgischer und musikalischer Sicht kann ich die Anschaffung einer fünften Glocke nur befürworten. Ein fünfstimmiges Geläute bietet gegenüber einem vierstimmigen nicht nur ein Vielfaches an Teilmotiven, sondern ist vor allem musikalisch von wesentlich ansprechenderer Wirkung.“

Eine solche Glocke der Tonart b‘-8 kostet aktuell - inklusive Erweiterung des Glockenstuhls, des Einbaus und der elektronischen Erweiterung - ca. 42.000 Euro. Der Rauenthaler Traditionsverein ruft nun zu Spenden auf, um dieses Projekt gemeinsam in die Tat umzusetzen. Geplant ist, dass die neue 5. Glocke zum 750ten Jubiläum von Rauenthal, das im Jahr 2024 gefeiert wird, erstmals zu läuten. Wie der verstorbene Heimatforscher Hans Wagner aus Rauenthal in einer Ortschronik berichtete, bestätigt in einer Urkunde vom 25. März 1274 (erstmalige urkundliche Nennung) das Mainzer Domkapitel dem Erzbischof Werner von Eppstein den Erwerb des Dorfes Rauenthal von der Witwe des Nikolaus von Scharfenstein.

Die 5. Glocke soll künftig als „Lebensglocke“ besonders bei Geburt oder Taufe eines Kindes läuten.

* Mit freundlicher Genehmigung der Rauenthaler Pfarrgemeinde

Was hat denn der Rauenthaler Traditionsverein mit dem Kirchturm zu schaffen?

Der Rauenthaler Traditionsverein hat es sich zum Ziel gesetzt, Rauenthaler Brauchtum zu pflegen, die Erinnerung an die Geschichte unserer Heimat und unserer Bewohner nicht verblassen zu lassen, das Erscheinungsbild unseres Ortes zu schützen und – wo es notwendig ist – dies auch nach Leibeskräften zu unterstützen. Vieles unserer Arbeit geschieht unbemerkt von der Öffentlichkeit, wird aber dankbar angenommen. Denken Sie nur an die Pflege der Wanderwege, die Neugestaltung des Tretbeckens oder die Maßnahmen rund um die Bubenhäuser Höhe mit Bänken zum Ausruhen und der Aufstellung diverser Mülleimer usw. Zugegeben, nach außen wird häufig nur die Kerb wahrgenommen.

Die Idee der 5. Glocke wurde übrigens von Rauenthalern ins Leben gerufen, die sich bei den Treffen freitags auf dem Kirchplatz zusammenfanden. Von dort wurde dies dem Rauenthaler Traditionsverein zugetragen, als mögliche Initiative. Diese Idee wurde ausführlich und kontrovers innerhalb des Vorstands diskutiert – über Monate! – und letztendlich entschied sich die Mehrheit dafür, diese Aktion ins Leben zu rufen und es zumindest zu versuchen, die Geldmittel zusammen zu bekommen.

Brauchen wir denn eine 5. Glocke?

Natürlich braucht kein Rauenthaler eine 5. Glocke; aber wie würde unsere Welt aussehen, wenn sich nicht hin und wieder Organisationen finden würden, die Kapellen, Kirchen oder sonstige Projekte in die Tat umsetzen würden, auch wenn es zu den jeweiligen Zeiten so viel Unheil auf der Welt geschieht? Wann wäre denn der „richtige Zeitpunkt“ für Initiativen und Neues, wenn wir doch davon ausgehen müssen, dass es wohl niemals hundertprozentigen Wohlstand und Frieden auf der Welt geben wird?

Kann man mit dem Geld nicht besseres machen?

Zu unseren Aufgaben gehört es nicht, Organisationen wie zum Beispiel „Ärzte ohne Grenzen“ zu unterstützen und hierfür Geld zu sammeln. Es gibt unzählige Organisationen, die es wert sind, unterstützt zu werden. Als gemeinnütziger Verein ist es uns jedoch nicht gestattet, Geldmittel für Vereins-Fremde-Zwecke zu verwenden.  Und wer in dem Plan einer weiteren Glocke keinen Sinn erkennt, ist nicht gezwungen dafür zu spenden. Auch Steuergelder werden hierfür nicht eingesetzt.

Nicht jedem Rauenthaler gefällt diese Idee...!

Dem Vorstand des Rauenthaler Traditionsvereins ist es durchaus bewusst, dass dieses Projekt nicht bei allen Rauenthalerinnen und Rauenthalern gut ankommt. In der Vergangenheit gab es bei fast allen Projekten im Ort Gegenwind: denken Sie nur an den Neubau des Kindergartens oder des Brunnens am Kirchplatz, den Kunstrasenplatz des Sportvereins oder an die Verputzarbeiten des Kirchturms. Es ist wohl eine Rauenthaler „Tugend“, grundsätzlich erstmal alles Neue abzulehnen. Übrigens wurde bei keiner der vorgenannten Projekte zuvor eine Abstimmung durchgeführt.

Es wird ja mit einer 5. Glocke nicht mehr oder lauter geläutet - nur SCHÖNER!

Und warum ausgerechnet jetzt?

Ist es jetzt die richtige Zeit, so einen Plan in die Tat umzusetzen? Definitiv ja! Wie wir in unserem Flyer bereits ausgeführt haben, besteht seitens der Stadt Eltville ein dringender Handlungsbedarf, was die Sanierung des Glockenstuhls angeht. Eine Erweiterung im Zuge dieser, absolut notwendigen Sanierung leuchtet ein.

Zuletzt sei noch der Hinweis gestattet, dass wir viele POSITIVE Rückmeldungen erhalten und schon wenige Stunden nach Beginn der „Flyer-Aktion“ gingen schon die ersten – großzügigen! – Geldspenden ein. Wir sehen einer Finanzierung des Projektes absolut positiv entgegen.

Sollte es uns gelingen, die Finanzierung der 5. Glocke sicherzustellen und die Glocke in Produktion gehen, hoffen wir, dass alle Rauenthaler ihren Frieden mit einer neuen, fünften Glocke finden werden.